Mentoren im Leben von Robert Iger und die eigene Rolle als Mentor*In

Christopher Klamm
8 min readFeb 6, 2021

Auf unserem Lebensweg begleitet uns eine Vielzahl von Menschen als Mentoren und Ratgeber. Wir übernehmen manche Aspekte von Ihnen, passen andere an oder denken Dinge ganz neu. Ich liebe es, mir Danksagungen in Abschlussarbeiten, Büchern oder Vorträgen anzuschauen — weil es für mich viel über die Reise des Autors oder der Autorin offenbart. Mit dieser Begeisterung für die Menschen auf dem Weg eines Lebens, habe ich auch das Buch von Robert (Bob) Iger gelesen.

Bob Iger, ein ehemaliger CEO von Disney, zeichnet in seinem Buch „Das Vermächtnis meines Lebens“ seinen Weg zu der Führungskraft auf, die er heute ist — mit allen Lektionen, die er gelernt hat, Erfahrungen, die er machen musste und Ratschlägen, die er auf seinem Weg erhalten hat. Aus diesen kondensiert er zehn Prinzipien für Führungsqualität:

Optimismus 😀, Mut 🎢, Fokus 🎯, Entschlossenheit 💪, Wissbegier 📚, Fairness 👫, Besonnenheit 🧘, Authentizität🧍, Unermüdlicher Perfektionsdrang 🥇 und Integrität ⚖️.

Dieses Kondensat entsteht für mich zentral aus den Ratschlägen vieler Weggefährten. In diesem Beitrag möchte ich zeigen, welche Menschen ihm Ratschläge gegeben haben und ihm damit, dass ein oder andere Mal entscheidend geprägt haben. In jedem Abschnitt versuche ich aufzuzeigen, wie wir selbst diese Ratschläge übernehmen können und wie ich dies bereits getan habe.

Von „Dan Burke“, Leiter von Capitial Cities und Präsident von ABC, [1] erhielt er einmal den Rat, die Einteilung der eigenen Ressourcen 🎯 auf das Projekt und den Gewinn abzustimmen:

„Hüten Sie sich vor der Herstellung von Posaunenöl. Möglicherweise werden Sie der größte Hersteller von Posaunenöl der Welt, aber am Ende braucht die Welt davon nur wenige Milliliter.“ S. 93

Einen Rat in eine ganz ähnliche Richtung bekam er von „Scott Miller“ [2], einem politischen Berater, der ihm bei den Vorbereitungen für die Kandidatur als CEO für Disney half. Robert Iger war inhaltlich sehr breit aufgestellt und „Scott Miller“ mahnte ihn „strategische Prioritäten“ (139) zu setzen 🎯 — mit dem Hinweis: „Beschränken Sie sich auf drei Punkte …“ (139). Dies galt im Besonderen gegenüber anderen. Es ist wichtig, klar herauszustellen, dass man sich über seine Kernpunkte sicher ist und diese nicht durch eine unendliche Anzahl verwässert.

👍 Ich habe mir diese zwei Ratschläge versucht als Grundfrage und Prüfstein stärker bewusst zu machen. Sobald eine neue Aufgabe kommt, versuche ich mich zu fragen: Was sind meine drei Prioritäten? und Passt diese Aufgabe zu meinen Prioritäten? sowie Lohnt es sich die eigenen Ressourcen dafür zu investieren? Dabei bin ich sicher weniger dogmatisch auf einen Gewinn im materiellen Sinne beschränkt als vielmehr auf einen Gewinn im persönlichen Sinne.

Iger zeigt jedoch auch, was wir von Weggefährten lernen können, deren Verhalten ganz konträr zu unseren Wertvorstellungen läuft, die wir eher als abschreckendes Beispiel sehen. So ein Beispiel ist in gewisser Weise „Michael Eisner[CK3] “ (er leitete die Walt Disney Company vor Robert Iger von 1984 bis 2005 und leitet seitdem seine eigene Produktionsfirma), zumindest gegen Ende seiner Zeit bei Disney. Iger ist der Optimismus (nicht der blinde) sehr wichtig für eine Führungsperson, da Pessimisten 🙁 die Moral ruinieren, Energiefresser sind und jede Inspiration töten. Er schreibt dazu über „Michael Eisner“: Er „hatte viele gute Gründe, um pessimistisch zu sein, aber als Unternehmensführer darf man diesen Pessimismus nicht an die Umgebung verbreiten. […] Letztlich werden dann Entscheidungen nur noch einer defensiven, auf Selbstschutz fokussierten Haltung heraus getroffen.“ S. 123

Das Gegenmittel dazu heißt Optimismus 😀:

„Optimismus setzt einen vollkommen anderen Motor in Gang. Insbesondere in schwierigen Momenten brauchen die Menschen, die Sie führen, das Vertrauen, dass Sie die Fähigkeit besitzen, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren, anstatt aus einer Haltung der Verteidigung und des Selbsterhalts zu agieren.“ S. 124

👍 Diesen bewussten Optimismus zu behalten oder zumindest gegenüber seinem Team aufrechtzuerhalten, ist für mich ein Kernaspekt einer Führungspersönlichkeit. Ich habe selbst in meinem Alltag begonnen, noch stärker zu überprüfen, wie die Kommunikation mit meinen Studierenden oder Kolleg*Innen abläuft, um immer Optimismus bestmöglich als zentrales Element zu verankern.

Eine wichtige Rolle spielte auch „Roone Arledge“ [4], ab 1968 Sportchef bei ABC und ab 1977 zusätzlich Programmdirektor von ABC. Er gab Iger eine wichtige Lektion über Mut 🎢, indem er ihm sehr direkt mitteilte: „Mach etwas Neues oder stirb; wenn du Furcht vor dem Neuen oder Unerprobten hast und danach handelst, gibt es keine Innovation.“ S.40 Diesen Gedanken, den Iger bereits seit Kindestagen in sich trug, nahm sich zum Leitmotiv, auch wenn es einmal schief ging. Er schrieb dazu „Allerdings ist es mir lieber, große Risiken zu wagen und gelegentlich zu scheitern, als niemals Risiken einzugehen.“ Das beinhaltet auch, immer genügend Raum für Misserfolge zu lassen, sicher aber niemals weniger anzustrengen. Worin dieser fehlende Mut münden kann, zeigt er in der Verknüpfung mit dem „Innovator’s Dilemma“, welches ein Phänomen bezeichnet, dass etablierte Unternehmen ihre angestammten Produkte und ihre traditionelle Geschäftspraxis weiterführen und neue Entwicklungen und Trends ausblenden, bis es zu spät ist (247).

Diese Entschlossenheit 💪 und das Vertrauen etwas zu wagen, die Iger verkörpert, versucht er auch an seine Angestellten weiterzugeben. Ich denke, das ist etwas, bei dem ihm besonders Dan Burke und Tom Murphy [5] , er leitete Capital Cities und ABC bis 1996, geprägt haben. Sicher ein Schlüsselmoment war, als sie ihn zum Präsidenten von ABC Entertainment beförderten und Tom Murphy sowie Dan Burke auf die Bedenken von Bob über seine Fähigkeiten für diesen Job antworteten: „Ach, Bob, Sie werden das großartig machen.“ Dieses Vertrauen zeigten die beiden gegenüber ihren Angestellten oft. Iger schreibt dazu:

„Dan und Tom vertrauten ihren Instinkten, behandelten Menschen mit Respekt, und im Verlauf der Zeit begann das Unternehmen, die Werte zu repräsentieren, nach denen sie lebten. Viele von uns verdienten weniger, als sie bei der Konkurrenz hätten verdienen können. Wir wussten, dass Dan und Tom knausrig waren, aber wir blieben aus Loyalität zu ihnen.“ S. 55

Diese Einstellung übernahm er und verstärkte sie für sich:

„(278) … ich habe stets meinen Instinkten vertraut und meine Mitarbeiter dazu ermutigt, den ihren zu vertrauen.“ Dies führt auch zu dem Gedanken: (240) „Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, dann ist es wahrscheinlich nicht das Richtige.“ Dies ist das Gegenteil von zu vielem Grübeln.

Zum Mut 🎢 gehört, auch einen sicheren Platz zu bieten, um diesen auszuleben und Scheitern nicht zu verteufeln, sondern als einen Teil des Prozesses zu kommunizieren. Es darf jedoch keinen blinden Mut geben. Diesen sah er an „Michael Eisner“ und „Michael [6] Ovitz“, er war von 1995–1997 COO der Walt Disney Company. Iger schlussfolgerte 🧘:

(97) „Doch in Situationen, in denen man darauf hofft, dass eine Lösung funktionieren wird, ohne sich selbst erklären zu können, wie sie funktionieren wird, sollte eine kleine Alarmglocke läuten. Und dann sollte man sich einige schonungslose Fragen stellen: Welches Problem muss ich lösen? Ist diese Lösung sinnvoll? Wenn ich Zweifel verspüre, welches sind die Gründe dafür? Mach ich das aus einem soliden Grund, oder bin ich von einem persönlichen Aspekt motiviert?“ Auch zurückzutreten in größter Zeitnot stellt eine besonnene Sichtweise dar. Er schreibt „(234) Einer der größten Fehler, die ich bei Filmstudios erlebt habe, ist, dass sie sich auf einen Erscheinungstermin versteifen und sich von diesem Datum in ihren kreativen Entscheidungen beeinflussen lassen.“

👍 Scheitern ist eine sehr wichtige Lektion und doch lernen wir manchmal erst retrospektiv dessen Bedeutung. Ohne den Mut zum Scheitern bleiben wir einfach die Person, die wir schon sind. Diesen Raum zu lassen und auch klar an seine Teammitglieder oder Studierenden zu kommunizieren, ist mir selbst sehr wichtig. Besonders im Lernprozess ist Scheitern notwendig und dies zu verteufeln und damit erst gar keine Innovation oder Entwicklung zu ermöglichen, ist schädlich. Ich versuche besonders diese Maxime, meinen Studierenden immer mit auf den Weg zu geben.

In Bezug auf Fehler hat Robert Iger noch etwas von „Roone Arledge“ gelernt. „Roone Arledge“ gab ihm auch einen Hinweis über die Perfektion 🥇.

Er trug ihm einmal auf (41) „Tu was du tun musst, um es besser zu machen“ oder (43) „Dann finden Sie einen anderen Weg“. Diesen Aspekt adaptierte er auf gewisse Weise in seiner Losung: „(242) Sie können mit einem Problem zu mir kommen, aber bringen Sie auch einen Lösungsvorschlag mit.“

👍 Diese Losung habe ich inzwischen auch für mich selbst zu einem grundlegenden Leitmotiv erklärt, was ich bereits zahlreich meinen Studierenden weitergegeben habe.

Einen sehr großen Schwerpunkt, aufgrund von positiven und negativen Erfahrungen, nimmt die Wertschätzung 👫 im Buch ein — sicher auch, da Iger anfangs und im Verlauf seines Lebensweges schlechte Erfahrungen gemacht hat. Anekdotisch erzählt er verschiedene Situationen, in dem ihm das bewusst wurde und wie er selbst gehandelt hat.

„Das Management der eigenen Zeit und der Respekt für die Zeit anderer Menschen ist eines der wichtigsten Dinge, die ein Manager tun kann.“ Dazu hält er weiter später fest: „(245) Führungskräfte sind gelegentlich versucht, auf ihre übervollen Terminkalender zu verweisen, und glauben, ihre Zeit sei zu kostbar, um sich mit den individuellen Sorgen oder Problemen ihrer Belegschaft auseinanderzusetzen. Für die eigenen Mitarbeiter da zu sein und dafür zu sorgen, dass sie das auch wissen, ist jedoch überaus wichtig für die Moral und die Effektivität eines Unternehmens.“ Ihm sei es gleichzeitig wichtig jedem wertschätzend zu begegnen, egal in welcher Rolle er an einem Meeting teilnahm. Er schreibt dazu „(77) Wenn ich umgekehrt an einer Besprechung außerhalb von Disney teilnehme, achte ich stets darauf, dass ich mich an jede Person am Tisch wende und alle Anwesenden einbeziehe. Das ist eine kleine Geste, aber ich erinnere mich noch zu gut daran, wie es sich anfühlte, die übersehende Randfigur zu sein — und alles, das einen daran erinnert, dass man nicht der Mittelpunkt des Universums ist, ist gut.“ Was passiert, wenn man mit Geringschätzung anstelle von Wertschätzung agiert hält er wie folgt fest: „(165) Damit bewirkt man nur, dass sich die Leute entweder aus Angst unterwerfen oder dass sie wütend und frustriert werden und die Hände in den Schoß legen.“ fest.

👍 Aus diesen vielen Erfahrungen habe ich selbst eine Menge herausgezogen. Ich wertschätze inzwischen viel mehr jede Zeit und mache mir stets bewusst, wie wichtig die Zeit jedes einzelnen Studierenden und Teammitglieds ist. Jede Zeit ist gleich viel Wert, ob jemand Studierender ist oder bereits weiter fortgeschritten. Das führt für mich praktisch dazu, dass ich die Meetings inzwischen mit mehr Puffer plane, damit niemand auf mich warten muss. Ebenfalls habe ich immer wieder Feedback-Schleifen eingebaut, um die individuellen Probleme und Sorgen frühzeitig zu erkennen und zu besprechen. Gleichzeitig kommuniziere ich jetzt noch stärker die Bereitschaft, über Probleme zu sprechen, sehr offen. Zudem mache ich meinen Studierenden noch mehr bewusst, dass es in einem Brainstorming/ Meeting für mich keine Hierarchien gibt und jeder gleich bedeutsam ist — ich brauche gute Ideen und keine Titel.

Wie beim Nein-Sagen auf eine Bitte, die wir nicht erfüllen können, ist diesen transparente Offenheit für alle sehr wichtig. Igel hält dazu einmal im Zuge der Verhandlungen um Lucasfilm mit George Lucas fest: (227) „Sie müssen von Anfang an klar machen, wo Sie stehen“ 🧍. Dies ist etwas, dass verlockend einfach klingt und doch immer wieder reflektiert werden muss. Wo stehe ich eigentlich? Und wie kommuniziere ich diese Offenheit meinem Gegenüber? Das sind keine leichten Fragen, aber damit offen umzugehen, zahlt sich oft aus — für euch und euer Gegenüber.

Wie sich zeigt, war Robert Iger stets begleitet von Menschen, die ihn entscheidend prägten. MentorInnen, um sich zu haben, die einen leiten, mit Ratschlägen oder auch einfach als Lebensbeispiel, ist etwas sehr Wertvolles. Diese zu finden, ist aber kein leichtes Unterfangen, der richtige Mentor ist etwas sehr Kostbares. Man sollte sich dadurch öfter einmal die Frage stellen, wer der/die eigene Mentor*In ist? Wer hat mich geprägt oder prägt mich gerade? Und sicherlich auch, wen habe ich geprägt? Für wen bin ich ein/e Mentor*In? Mich hat das Buch von Robert Iger viel über meine eigene Rolle nachdenken lassen und vielleicht hilft euch dieser Beitrag auch bei der Reflexion der eigenen Arbeitsweise.

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_Burke_(executive)

[2] https://www.corestrategygroup.com/about/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Eisner

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Roone_Arledge

[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Murphy_(broadcasting)

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Ovitz

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